Finger weg!
Das Konzept des Albums ist, die Musik der Hildegard von Bingen mit neueren Kompositionen zu verbinden, das im heutigen Klanggewand. Hildegard von Bingen war Ärztin, Mystikerin, Naturforscherin, Musikerin und Theologin im 12. Jhd. Sie war wohl eine Art Universalgenie. Ich würde sie zu gerne einen Tag sprechen können, das muss faszinierend sein!
Das Konzept kommt daher wie neu, ist es aber nicht.
2021 brachte die DG im Herbst "Enargeia", das Debüt des Mezzosoprans Emily d'Angelo. Gut sechs Monate davor gab es bereits einen Trailer, "O frondens virga". Ich höre mir Trailer selten an, und dann nur einmal. Ich war von diesem Trailer zutiefst fasziniert, habe ihn wohl rund 20mal gehört. Das Album (ich habe die LP, die CD gibt's noch immer, s. u.) ist 55 Minuten galaktischer Höhenflug, der wunderbare warme Mezzo, Textverständlichkeit eines Fi-Di, alles elektronisch stimmig und atmosphärisch angepasst verfremdet. Das Album war im britischen Gramophone Konzeptalbum des Jahres!
Jetzt reiten also Hannigan und die Labeques auf dieser Welle. Hannigan schraubt die Stimme immer noch höher, Textverständlichkeit Null. Ein Instrumentalstück dazwischen, ein Sinn erschließt sich nicht. Nichts in den 64 Minuten wird Hildegard von Bingen gerecht. Im Vergleich zu "Enargeia" ein Kollateralschaden.
Dann besser die Klassiker von Emma Kirkby bis Grace Davidson (Links unten).
Wer sich eine ganz große Freude machen will, kaufe sich bitte "Enargeia". Noch immer ein Fixstern unter den Alben dieses Jahrhunderts!