Non petite, non solennelle ...
... das bekannteste Bonmot über Rossinis Spätwerk, sie sei weder klein noch feierlich: es passt zum Humor des Genies der opera buffa, aber es geht als Pointe an diesem wunderbaren Werk etwas vorbei. Es ist eine andere Feierlichkeit, zu der Rossini hier einlädt, schon mit den ersten Takten, die sich herrlich überraschend "anschleichen": Das soll eine Messe sein? Klar wird dann in der meisterhaften Stimmbehandlung und der ununterbrochenen Abfolge unkonventioneller Ideen bei gleichzeitiger Befolgung des Messtextes: Das ist eine, das ist tief empfundene geistliche Musik - und es ist Rossini! Und damit ein Antidot zu den Breitwand-Glaubensverkündungen à la Berlioz, denen man ja nie ganz glauben kann, die auf totalen Effekt geschrieben sind. Man merkt schon, ich liebe Rossini, und ich liebe auch das Spätwerk, in dem er seine Empfindsamkeit noch stärker maskiert hat - wie ja auch in seinen eigenen ironischen Kommentaren dazu (analog vielleicht zur Selbsttarnung eines Brahms, der den mörderisch schweren zweiten Satz des Zweiten Klavierkonzertes als "ganz ganz kleines Scherzo" bezeichnete). Die Gefühle, auch die komponierten, "nicht auf der Zunge zu tragen", muss sie nicht selbst in Verdacht bringen. Ob man dieser Aufnahme gleich eine Referenz-Krone aufsetzen muss, würde ich eher bezweifeln, aber sie ist über weite Strecken sehr schön gelungen, gerade weil sie das Besondere, das Nahbare und Intime betont. Dazu gehören eine diszipliniert singende Rheinische Kantorei, der silberne Klang des Èrard von Tobias Koch, dessen informierte Virtuosität ja außer Zweifel steht (vielleicht hat er keinen zweiten Pianisten mit diesen Fähigkeiten gefunden, so dass er die originalen zwei Klaviere auf eines reduzieren musste?), und die wirklich engelsgleich singenden Damen Mields und Pieper: nicht häufig schmiegt sich ein Alt derart harmonisch an einen Sopran an. Die vibratoarme Stimme allerdings, die dem Uraufführungstenor Gardoni bescheinigt wurde, würde ich Tobias Hunger zumindest hier nicht zubilligen, da wird schon ziemlich tremoliert, und beiden Herren, auch dem Bass, hört man in den Rossini'schen Höhen manchmal etwas Anstrengung an. Die meisten Einspielungen, die als Referenz galten - Sawallisch, Chailly - sind nur gebraucht im Handel. Meine DECCA-Vergleichseinspielung von 1978 unter dem renommierten Chordirigenten László Heltay verfügte über erste Kräfte in den Solopartien - insbesondere Robert Tear -, kann aber diese historisch informierte Alternative gut vertragen: man kann nie genug Rossini hören!